Ein Arzt, welcher sich Gedanken über seine eigene finanzielle Zukunft macht. Anstellung oder Niederlassung?

Anstellung oder Niederlassung: Womit verdient ein Arzt mehr?


Eine oftmals unterschätzte Frage: Wie viel Gewinn muss eine Arztpraxis erzielen, damit der Praxisinhaber gegenüber einer Anstellung finanziell besser gestellt ist?

Es scheint so einfach: Verdient ein angestellter Arzt ein Jahresgehalt von 90.000€ brutto, so wäre man als Selbstständiger doch bereits mit jedem sechsstelligen Jahresgehalt finanziell besser gestellt. Nein!

Denn: Als niedergelassener Arzt tragen Sie das Risiko der Selbstständigkeit. Das bedeutet, dass Sie nicht nur die Beiträge für Pflege- und Krankenversicherung sowie Ärzteversorgung (Rentenversicherung) selber bezahlen, sondern auch das wirtschaftliche Risiko der Arztpraxis tragen. Kommen weniger Patienten, sinkt Ihr Umsatz. Steigen Ihre Kosten, sinkt Ihr Gewinn. Zudem müssen Sie berücksichtigen, dass aufgrund des Risikos das von Ihnen eingesetzte Kapital auch Rendite erwirtschaften muss.

Das Wort „Rendite“ ist zwar zunehmend negativ besetzt, bedeutet jedoch nur, dass Sie eine monetäre Vergütung für ein monetäres Risiko erhalten. Wird Risiko nicht vergütet, so macht es keinen Sinn es einzugehen.

Ihr Stundenlohn als Angestellter

Nehmen wir an, Sie würden als Angestellter Arzt in einem bayerischen Krankenhaus arbeiten. Ihr Jahresgehalt beträgt 90.000 € brutto und Sie sind gesetzlich versichert. In diesem Fall bezahlt Ihr Arbeitgeber knapp 14.000 € an Lohnnebenkosten für Renten-, Arbeitslosen-, Kranken- und Pflegeversicherung.

Hinweis: Die Beitragsbemessungsgrenzen sorgen dafür, dass die prozentuale Belastung durch Lohnnebenkosten für den Arbeitgeber niedriger ist als der Durchschnitt von 21%.

Ihren Stundenlohn (brutto) errechnen wir aus der Annahme, dass Sie pro Jahr sechs Wochen Urlaub nehmen und in einer durchschnittlichen Woche 50 Stunden Arbeiten.

90.000€ / 46 Arbeitswochen = 1.957€ je Arbeitswoche

1.957€ / 50 Stunden Wochenarbeitszeit = 39,14€ Vorsteuergewinn je Arbeitsstunde des Arztes

Der Gewinn eines niedergelassenen Arztes muss also nur die 39,14€ pro Stunde überschreiten und schon hat sich die Selbstständigkeit gelohnt!

Falsch.

Mehrarbeit als selbstständiger Arzt

Vermutlich arbeiten Sie als Selbstständiger 70 Stunden pro Woche, ebenfalls 46 Wochen pro Jahr. Der Gewinn Ihrer Arztpraxis muss folglich zur Erreichung des selben Brutto-Stundenlohnes bereits 126.030€ betragen. Hier fehlen noch die Lohnnebenkosten, welche wir vereinfachend mit rund 14.000€ ansetzen. In der Realität wird dieser Betrag höher liegen, da eine umfassendere Absicherung für das Rentenalter sinnvoll ist. Der Gewinn Ihrer Arztpraxis muss somit mindestens 140.000€ betragen, um den selben Stundenlohn beizubehalten.

Oder auf das Gesamteinkommen berechnet: Um das selbe Jahresgehalt eines angestellten Arztes zu erwirtschaften, müssen Sie als selbstständiger Arzt für einen niedrigeren Stundenlohn in Höhe von 32,30€ arbeiten. Ihr Lohn je Arbeitsstunde sinkt brutto also um rund 17,5% im Vergleich zu einem Angestelltenverhältnis.

Häufig unterschätzt: Das Kapitalrisiko

Dabei bleibt es jedoch nicht. Wie bereits erwähnt muss auch das von Ihnen eingesetzte Kapital eine Rendite erzielen. Denn: Ihr Kapital unterliegt einem Risiko. Eine Rendite ist die Vergütung für das eingegangene Risiko. Ein praktisches Beispiel: Für die eigene Arztpraxis benötigen Sie eine technische Ausstattung wie zum Beispiel ein Röntgengerät. Die Kosten werden zwar zumeist von fremdfinanziert, das Geld also von Banken geliehen. Das Risiko hingegen lastet weiterhin auf Ihnen.

Doch was bedeutet das Kapitalrisiko nun genau für Sie? Lassen Sie uns hierzu eine kleine Kalkulation anstellen:

Konzerne streben häufig hohe Kapitalrenditen in der Größenordnung von 10% an. Als niedergelassener Arzt sind Sie jedoch in erster Linie Ihrem Versorgungsauftrag und nicht der Gewinnmaximierung verpflichtet. Lassen Sie uns daher pauschal 5% anzuvisierende Kapitalrendite annehmen.

Zudem treffen wir die Annahme, dass Sie Ihren KV-Sitz für 300.000€ gekauft und anschließend ungefähr 100.000€ in die Ausstattung der Arztpraxis gesteckt haben. Ob Barzahlung oder Finanzierung bei der Bank spielt hier keine Rolle. In Summe haben Sie also Kapital in Höhe von 400.000€ aufgewendet. Bei der anvisierten Kapitalrendite in Höhe von 5% muss Ihre Praxis einen zusätzlichen Gewinn in Höhe von 20.000€ jährlich erwirtschaften, in Summe also mindestens 160.000€.

Was ist der konkrete Nutzen dieser Kalkulation? Wenn der Jahresgewinn Ihrer Arztpraxis unter 160.000€ liegt, so würden Sie als Angestellter finanziell besser gestellt sein. In diesem Szenario würden Sie die 400.000€ in ein Unternehmen investieren, beispielsweise durch ein Investment in einen auf den Index „MSCI World“ lautenden ETF. Sollten Sie hieran interessiert sein, empfehlen wir die Lektüre von Finanztip und Finanzwesir.

Lohnfortzahlung im Krankheitsfall

Ein bislang unberücksichtigtes, jedoch signifikant relevantes Thema in der Selbstständigkeit ist die Lohnfortzahlung im Krankheitsfall. Erhalten Angestellte im Falle einer Erkrankung in den ersten sechs Wochen eine Lohnfortzahlung und anschließend Krankentagegeld, so erhält ein Selbstständiger zunächst nichts. Nicht nur verdienen Sie in dieser Zeit kein Geld, Ihre Fixkosten wie die Raummiete und Personalkosten laufen ungemindert weiter. Jeder Krankheitstag kostet Sie also bares Geld.

Hierfür gibt es Krankentagegeldversicherungen. Problem gelöst!

Nicht wirklich. Wie Sie anhand einer kurzen Recherche sicherlich nachvollziehen können, sind solche Versicherungen, die bereits ab dem ersten Krankheitstag zahlen beinahe unbezahlbar. Die Kompromisslösung: Eine Krankentagegeldversicherung, die erst nach sechs Wochen Krankheit mit der Auszahlung beginnt. Bedeutet für Sie, dass im Notfall eine Absicherung nach sechs Wochen Krankheitsdauer besteht. Die ersten sechs Wochen hingegen sind und bleiben unversichert und reißen schnell ein klaffendes Loch in Ihre Kasse.

Eine Berechnung der Kosten des Krankheitsfalles

Dieses Risiko zu berechnen ist schwierig. Eine exakte Kalkulation zu postulieren wäre unseriös, lassen Sie uns daher eine Annäherung versuchen.

Bei einem benötigten Jahresgewinn von mindestens 160.000€ auf 46 Arbeitswochen pro Jahr, muss jede Woche ein Gewinn in Höhe von fast 3.500€ erwirtschaftet werden. Variable Kosten sind hier nicht berücksichtigt. Vereinfachend könnte man den entgangenen Gewinn inklusive den fortlaufenden Kosten auf einen Betrag in der Höhe von etwa 8.000€ pro Woche festmachen.

Annahme hierfür: 44% Umsatzrendite. Sprich zur Erreichung von 3.500€ Gewinn pro Woche müssen 3.500/0,44 = 8.000€ Umsatz erzielt werden. Variable Kosten werden hier außer Acht gelassen, da sie sich zwischen den Fachgruppen teils immens unterscheiden und die Kalkulation unnötig aufblähen würde.

Anzahl der durchschnittlichen Krankheitstage

Konkrete Zahlen für die durchschnittlichen Krankheitstage von Selbstständigen pro Jahr gibt es unseres Wissens nach nicht. Ein Blick in die Zahlen des Statistischen Bundesamtes verrät uns jedoch, dass Arbeitnehmer in 2019 im Durchschnitt 10,9 Tage krankgemeldet sind. Nehmen wir vereinfachend zehn Arbeitstage, also zwei Arbeitswochen an, so müssen jährlich weitere 16.000€ erwirtschaftet werden. Der Jahresgewinn Ihrer Arztpraxis muss also rund 180.000€ betragen, damit Sie einem Angestellten mit einem Jahresgehalt von 90.000€ wahrlich gleichgestellt sind.

Hinweis: Womöglich können Krankheitstage auch nachgearbeitet werden. Es ist und bleibt eine rechnerische Annäherung an den benötigten Jahresgewinn eines niedergelassenen Arztes, das mindestens erzielt werden muss, um gegenüber dem Angestelltendasein bessergestellt zu sein.

Welchen Stundenlohn muss ein niedergelassener Arzt erwirtschaften?

Wie hoch ist nun der Stundenlohn (brutto), den Sie als niedergelassener Arzt mindestens erzielen müssen?

180.000€ / 46 Arbeitswochen = 3.900€

3.900€ / 70 Stunden Wochenarbeitszeit = 56€ Vorsteuergewinn je Arbeitsstunde des Arztes

Bitte beachten: Es handelt sich hier um den Vorsteuergewinn, nicht Umsatz! Alle Kosten müssen bereits abgegolten sein.

Wie viel Umsatz muss ich als selbstständiger Arzt erzielen, um einem angestellten Arzt finanziell gleichgestellt zu sein?

Nun, hierfür gibt es leider keine pauschale Antwort. Es hängt stark von Ihrer Umsatzrendite, also dem Anteil des Umsatzes, der nach Abzug aller Kosten für Sie als Praxisinhaber als Gewinn übrig bleibt. Das wiederum ist zumeist in erster Linie von der Fachrichtung abhängig.

Aus gegebenem Anlass nehmen wir das Beispiel der Fachrichtung Orthopädie: Laut Statistischem Bundesamt erzielt ein Facharzt der Orthopädie im Durchschnitt einen Umsatz in Höhe von 461.000€. Nach Abzug der meisten Nebenkosten – so findet das Risiko der Selbstständigkeit, der fehlende Arbeitgeberanteil zu den Sozialversicherungen, die fehlende Lohnfortzahlung im Krankheitsfall und die Kapitalrendite keinerlei Berücksichtigung – in Höhe von 55,7% des Umsatzes, bleibt je Praxisinhaber ein durchschnittlicher Gewinn vor Steuern von knapp 204.000€.

Die Berechnung des notwendigen Umsatzes erfolgt folgendermaßen:

Umsatzrendite in Prozent * Umsatz = Vorsteuergewinn der Arztpraxis

Nehmen wir an, dass Ihnen von 100€ Umsatz 44€ Reingewinn bleiben, Ihre Umsatzrendite also 44% beträgt. Wie oben berechnet, muss der Gewinn der Arztpraxis vor Steuern bei etwa 180.000€ jährlich liegen. Nur dann ist der selbstständige Arzt auf Basis des Bruttostundenlohns gegenüber dem angestellten Arzt mit einem Jahresgehalt von 90.000€ brutto finanziell bessergestellt.

0,44 * Umsatz = 180.000€

Umsatz = 409.000€

Als Einzelkämpfer ist der Gewinn der Arztpraxis vor Steuern Ihrem Bruttoeinkommen gleichzusetzen.

Ihr Umsatz je Arbeitsstunde muss also mindestens

409.000€ / (70 Arbeitsstunden pro Arbeitswoche * 46 Arbeitswochen) = 127,-€

betragen.

Fazit

Bei einer Kostenquote von 55,7% muss der Umsatz bei rund 409.000€ liegen. Die durchschnittliche Facharztpraxis für Orthopädie erzielt hingegen einen Umsatz in Höhe von 461.000€. Daraus lässt sich schließen, dass der durchschnittlich niedergelassene Facharzt für Orthopädie (hier beispielhaft ausgewählt) brutto je Stunde mehr verdient, als ein angestellter Arzt. Die Selbstständigkeit lohnt sich für den durchschnittlichen Orthopäden also.

Führen Sie die Berechnung doch einmal für Ihre Arztpraxis durch.

Die Rolle von zshochzwei in Ihrer Arztpraxis

Eine kurze Anmerkung zu den Arbeitszeiten eines angestellten Arztes: Mit 50 Arbeitsstunden je Woche sind zwar durchaus die Regel, jedoch werden diese Überstunden heutzutage zunehmend vergütet. Die obige Kalkulation fällt also durchaus so aus, dass ein niedergelassener Arzt in der Realität häufig einen noch höheren Umsatz erzielen muss um dem Angestellten finanziell gleichgestellt zu sein. Haben Sie hier Probleme? Wir von zshochzwei sind auf den Aufbau strukturierter Arbeitsweisen spezialisiert. Gemeinsam reduzieren wir den Stress in Ihrem Arbeitsalltag und erhöhen gleichzeitig ohne Veränderung des Patientenstammes die Wirtschaftlichkeit Ihrer Arztpraxis signifikant. Kontaktieren Sie uns unter [email protected].

Kommentar

Erlauben Sie uns einen kurzen Kommentar zu Kalkulationen aus dem Netz: So berichtet beispielsweise die Deutsche Apotheker Zeitung darüber, dass Orthopäden 310.000€ Reinertrag erzielen würden. Das Ganze sei einem Bruttolohn gleichzusetzen. Die Zahlen wurden derselben Studie des Statistischen Bundesamtes entnommen, wie die auf der unsere Recherche basiert. Wir können diese Zahl nur reproduzieren, indem wir von den 461.000€ durchschnittlichen Umsatzes je Praxisinhaber einer orthopädischen Arztpraxis die durchschnittlichen Lohnkosten sowie Raummiete abziehen. Weitere Kosten sind hier nicht einkalkuliert. Es stellt sich somit für uns als schlicht und ergreifend falsche Berechnung dar. Die Fachgruppe der Orthopäden wurde auch hier beispielhaft ausgewählt, es wurde auch über andere Fachgruppen berichtet.

Dem Lesefluss geschuldet haben wir auf die Struktur unserer Praxis zurückgegriffen: Der Arzt und die Mitarbeiterinnen. Selbstverständlich sind alle Geschlechter in gleichem Maße gemeint. Zudem wurden die Zahlen zur Verbesserung des Leseflusses teils stark gerundet.